Biogene Amine

organische Verbindungen, Naturstoffe, Neurotransmitter
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Biogene Amine sind primäre Amine, die im Stoffwechsel (von Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen) durch enzymatische Decarboxylierung von Aminosäuren entstehen.[1] Auf Grund der vorhandenen Aminogruppe reagieren biogene Amine ähnlich wie Ammoniak als Protonenakzeptoren basisch. Biogene Amine sind häufig Synthesevorstufen von Alkaloiden oder Hormonen. Sie dienen auch als Bausteine für die Synthese von Coenzymen, Vitaminen und Phospholipiden. Einige freie biogene Amine entfalten selbst physiologische Wirkungen, beispielsweise als Neurotransmitter.

Beispiele

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Biogene Amine, Herkunft und Funktion[2]
Biogenes Aminaus der AminosäureVorkommen und Bedeutung
AgmatinArgininBakterien (Darmflora), Vorstufe für Putrescin in manchen Organismen
β-AlaninAsparaginsäureBestandteil von Coenzym A, Vorstufe für Pantothensäure
Aminoaceton2-AminoacetessigsäureVorstufe für Cobalamine (Vitamin B12)
γ-AminobuttersäureGlutaminsäureGehirn, Neurotransmitter
5-Amino-4-oxovaleriansäureSuccinylglycinVorstufe für Porphyrine
IsopropanolaminThreonin
CadaverinLysinRibosomen, Bakterien, Alkaloid-Vorstufe
CysteaminCysteinBestandteil des Coenzym A, Vorstufe des Taurins
DopaminDOPANeurotransmitter, Vorstufe für die Catecholamine Noradrenalin und Adrenalin, Alkaloid-Vorstufe
EthanolaminSerinPhosphatide, Vorstufe für Hormone und Cholin, Neurotransmitter
HistaminHistidinGewebshormon
IsoamylaminLeucin
OctopaminTyrosinNeurotransmitter (Wirbellose)
PhenethylaminPhenylalaninVorkommen im Gehirn
PutrescinOrnithinRibosomen, Bakterien, Vorstufe für Spermidin und andere Polyamine
Serotonin5-HydroxytryptophanNeurotransmitter, Vorstufe des Hormons Melatonin sowie des Krötengifts Bufotenin
SpermidinOrnithin über PutrescinWachstumsfaktor im Samen u. a. Zellen, Vorstufe für Spermin in Ribosomen, DNA, Sperma
TryptaminTryptophanbewirkt Kontraktion der glatten Muskulatur, bei Pflanzen wachstumsfördernd
TyraminTyrosinbewirkt Kontraktion der glatten Muskulatur
NoradrenalinDOPANeurotransmitter, Katecholamin, bewirkt Verengung der Gefäße und Blutdrucksteigerung

Aminosäuren (oben) und die von ihnen abgeleiteten biogenen Amine (darunter):

Lysin
Serin
Tyrosin
Histidin
Cadaverin
Ethanolamin
Tyramin
Histamin

Physiologische Bedeutung

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Es wird zwischen endogenen und exogenen biogenen Aminen unterschieden. Endogene Amine werden in vielen verschiedenen Geweben produziert (z. B.: Adrenalin im Nebennierenmark oder Histamin in Nervenzellen, basophilen Leukozyten und Mastzellen). Die Ausschüttung erfolgt lokal oder über das Blutsystem. Die exogenen Amine werden direkt aus der Nahrung im Darm resorbiert. Alkohol kann die Resorptionsrate erhöhen. Die Diaminooxidase (DAO) wie auch die Monoaminooxidase (MAO) bauen neben weiteren Enzymen (z. B. Methyltransferasen wie die Histamin-N-Methyltransferase = HNMT oder die Catechol-O-Methyltransferase COMT) biogene Amine ab und verhindern so eine übermäßige Resorption bzw. ein Übermaß im Gewebe. Bei sensiblen Menschen sind dementsprechend DAO, MAO oder auch andere Enzyme nicht ausreichend vorhanden oder auch gehemmt. DAO-Hemmer wie auch MAO-Hemmer sind z. B. in Medikamenten zur Behandlung von Depressionen oder in Muskatnüssen enthalten. Ebenso wirken einige biogene Amine als Inhibitoren von Enzymen (bspw. hemmt Tyramin die DAO wie auch die HNMT und damit den Abbau von Histamin). Darüber hinaus wird der Abbau biogener Amine ggf. auch ab einer bestimmten Menge von Abbaumetaboliten via Feedback gehemmt. Auch eine kombinierte Einnahme von biogenen Aminen und Stoffen, die die Resorption steigern (Alkohol) oder verlangsamen, kann zu einer allergischen oder pseudoallergischen Reaktion führen.

Verbraucherschutz

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Da die Konzentration bestimmter biogener Amine mikrobiellen Verderb anzeigt, arbeiten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts daran, Fertigpackungen für Lebensmittel mit entsprechender Indikatorfolie auszustatten.[3] Diese Idee stammt aus dem Jahr 2011 und fand in den Medien aufgrund des Gammelfleisch-Skandals 2010 eine gewisse Aufmerksamkeit.

Literatur

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  • Ahmed Askar, Hans Treptow: Biogene Amine in Lebensmitteln : Vorkommen, Bedeutung und Bestimmung. Verlag: E. Ulmer, 1986
  • Dorothea M. Beutling (Hg.): Biogene Amine in der Ernährung. Verlag: Springer, 1996

Einzelnachweise

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  1. Dietrich Frohne, Uwe Jensen: Systematik des Pflanzenreiches unter besonderer Berücksichtigung chemischer Merkmale und pflanzlicher Drogen, 4. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, Jena, New York, ISBN 3-437-20486-6, S. 313.
  2. Eintrag zu Biogene Amine. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 10. Dezember 2014.
  3. Sensorfolie warnt vor Gammelfleisch 4. April 2011.