Gerhard Roßbach

deutscher Freikorpsführer und politischer Aktivist

Paul Wilhelm Gerhard Karl Roßbach (* 28. Februar 1893 in Kehrberg, Provinz Pommern; † 30. August 1967 in Hamburg) war ein deutscher Freikorpsführer und rechtsextremer politischer Aktivist.

Leben und Tätigkeit

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Frühe Jahre und Erster Weltkrieg

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Roßbach war der Sohn des Gutspächters Hans Roßbach (* 1858) und der Sängerin Anna Roßbach, geb. Ulrich (* 1864). Der Vater starb, als er noch sehr jung war. 1903 trat in das Preußische Kadettenkorps ein: Er wurde nacheinander in den Kadettenanstalten in Köslin und Groß-Lichterfelde erzogen.

1911 trat Roßbach als Fähnrich in die preußische Armee über.[1] 1913 wurde er zum Leutnant befördert. Seit dieser Zeit gehörte er dem 8. Westpreußischen Infanterie-Regiment Nr. 175 an.

Ab 1914 nahm Roßbach mit seinem Regiment am Ersten Weltkrieg teil. Nach einer schweren Verwundung im Frühjahr 1918 wurde er zum Oberleutnant befördert.[2]

Freikorpszeit (1918 bis 1921)

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Nach dem Waffenstillstand stellte Roßbach im November 1918 aus den Resten seiner Einheit in Graudenz eine Freiwilligen-Maschinengewehr-Kompanie auf, die Grenzsicherungsaufgaben übernahm.

Im Januar 1919 wurde Roßbachs Formation im Rahmen des Grenzschutz Ost in die Sturmabteilung Roßbach umbenannt, die als Jägerbataillon 37 Anfang 1919 in die Vorläufige Reichswehr übernommen wurde.

Im Oktober 1919 marschierte Roßbach mit seiner Einheit von etwa 1000 Mann über die gesperrte Grenze bei Tilsit über Litauen nach Lettland. Dort konnte er noch den Rückzug der Baltikum-Freikorps aus Thorensberg bei Riga decken. Am 12. Dezember 1919 mussten die Truppen in das eigene Hoheitsgebiet zurückkehren.

Der befehlswidrige Entschluss, mit seiner Einheit ins Baltikum zu ziehen, führte zum Ausschluss des Freikorps aus der Vorläufigen Reichswehr wegen Meuterei. Anfang 1920 wurde die Sturmabteilung Roßbach offiziell aufgelöst, bestand aber im Untergrund in sogenannten „Arbeitsgemeinschaften“ in Pommern und Mecklenburg fort und nahm als Freiwilligen-Regiment Schlesien an den Kämpfen in Oberschlesien teil. Dabei wurde Roßbachs Truppe durch Lieferungen der Reichswehr inoffiziell unterstützt. Die Truppe beteiligte sich 1920 am Kapp-Putsch und nahm anschließend an der Niederschlagung des Ruhraufstands teil.

Weitere Politische Betätigung (1921 bis 1933)

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Im Mai 1920 wurde Roßbachs Freikorps in Güstrow offiziell aufgelöst. Die Männer seiner Einheit wurden aber in Gestalt von sogenannten Arbeitsgemeinschaften weiter zusammengehalten und auf Gütern in Pommern, Mecklenburg, Schlesien und Brandenburg untergebracht und als Landarbeiter und Feldhüter beschäftigt. Roßbach fungierte als Leiter und Organisator der sogenannten „Arbeitsgemeinschaft Roßbach“ (der Dachorganisation der verschiedenen Arbeitsgemeinschaften die über die Provinzen verstreut waren), wobei er sein Quartier auf dem Gut Sadow in Pommern nahm. Von hier sowie von einer Zentrale in Berlin-Wannsee wurde die Organisation geleitet.

Nach der Auflösung der Arbeitsgemeinschaften durch die Reichsregierung im November 1921 schuf Roßbach ab Herbst 1921 nacheinander eine Vielzahl von Tarnorganisationen zur weiteren Zusammenhaltung seiner Männer. So u. a. den Verein für landwirtschaftliche Berufsausbildung, den „Verein für Wanderfahrten“ und die „Nationale Sparvereinigung“. Das Hauptquartier dieses Netzwerkes von Organisationen befand sich in einer Villa in der Otto-Ehrich-Straße 10 Berlin-Wannsee. Dort richtete er auch ein Detektivbüro mit dem Namen "Deutsche Auskunft" ein, das mehrere Nebenstellen unterhielt.

Der scharfe politische Gegensatz Roßbachs zur demokratisch-parlamentarischen Weimarer Republik führte zu seiner Verhaftung nach dem Gesetz zum Schutze der Republik am 11. November 1922, er wurde jedoch kurz darauf wieder freigelassen. Seine Tarnorganisationen wurden für aufgelöst erklärt. Am 19. November 1922 wollte Roßbach eine Ortsgruppe der NSDAP, deren Mitglied er inzwischen war, in Berlin gründen. Da die NSDAP aber bereits am 15. November verboten worden war, gründete er als Ersatz die Großdeutsche Arbeiterpartei (GAP), die sich aber schon am 20. Januar 1923 per Vorstandsbeschluss wieder auflöste, um sich am 10. Februar 1923 der Deutschvölkischen Freiheitspartei anzuschließen. Hier gehörte er sogleich der Parteileitung an und wurde mit dem Aufbau von Turnerschaften, eine Verharmlosung von paramilitärischen, für einen Putsch ausgebildeten Einheiten, betraut.[3] Roßbach wurde damit gleichzeitig von der Polizei bekämpft, während Reichswehrstellen ihn umwarben.

Am 17. Februar 1923 wurde Roßbach während einer Versammlung, die er in einem Hotel Altona abhielt, verhaftet und ins Polizeigefängnis eingeliefert, aber bereits am Folgetage wieder entlassen.[4] In der Nacht vom 17. zum 18. März 1923 wurde Roßbach erneut verhaftet. Diesmal in seiner Berliner Wohnung. Es wurde ihm zur Last gelegt, in einer Versammlung in Berlin-Wannsee am 17. März 1923 gegen die Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Juli 1922 dadurch verstoßen zu haben, dass er Propaganda für einen aktiven Widerstand gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen gemacht habe.[5] Diesmal wurde er bis Oktober 1923 in Haft behalten.

Im Oktober 1923 wurde er vom Staatsgerichtshof in Leipzig überraschend und praktisch ohne Auflagen und ohne Kaution freigelassen, um einem Schutzhaftbefehl der sächsischen Staatsregierung zuvorzukommen.[6] Roßbach entwich sofort nach München, wo er sich im November 1923 dem Hitler-Ludendorff-Putsch anschloss und versuchte, die Zentrale Infanterieschule der Reichswehr zur Beteiligung am Putsch zu überreden. Nach dem Scheitern des Putsches floh er ins Exil nach Österreich.[7] Dort wandte er sich von Hitler ab und gründete 1925 gemeinsam mit Werner Lass die Schilljugend, eine Wehrjugendbewegung. 1926 rief er den Bund Ekkehard ins Leben. 1927 startete er zudem die Sport- und Richtschule am Plauer See in Mecklenburg.

Zeit des Nationalsozialismus

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Im Jahre 1933 wurde Roßbach zum Ausbildungsinspekteur im Reichsluftschutzbund ernannt. Er führte reichsweit Schulungen zum Luftschutz vor Zivilisten durch, so etwa Anfang Februar 1933 eine Woche lang in Northeim.[8]

Im Juni 1934 wurde Roßbach im Rahmen der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungsaktion der NS-Regierung für kurze Zeit verhaftet. Roßbach hatte bisher enge Kontakte zu Ernst Röhm und Edmund Heines unterhalten, zwei der zentralen Figuren, die im Zuge der Säuberungsaktion beseitigt wurden, was wahrscheinlich der Grund war, weshalb auch Roßbach ins Visier der mit der Durchführung der Aktion beauftragten Organe geriet. Am 30. Juni 1934 wurde seine Wohnung durchsucht, wobei zahlreiche homoerotische Photographien beschlagnahmt wurden.[9] Seinen eigenen späteren Angaben zufolge wurde Roßbach später vor die Alternative gestellt, sich zu erschießen oder sich amtlich für tot erklären zu lassen. Jedenfalls übernahm er anschließend unter einem neuen Namen eine Anstellung bei der Iduna-Germania-Versicherung.[10]

Roßbach setzte seine Tätigkeit in der Versicherungsbranche bis zum Kriegsende fort.

Nachkriegszeit

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Nach dem Kriege betätigte er sich in Bayreuth im Umkreis der Familie Wagner und beteiligte sich an der Organisation der Wagner-Festspiele in Bayreuth. 1949 gehörte er zu den Mitbegründern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.[11]

1950 veröffentlichte Roßbach seine Autobiographie Mein Weg durch die Zeit.

Ehe und Familie

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In erster Ehe war Roßbach seit dem 12. Dezember 1921 verheiratet mit Hildegard Damcke (* 6. Oktober 1898 in Berlin-Charlottenburg; † 30. April 1937).[12] Aus der Ehe gingen die Tochter Ingeborg und der Sohn Eckart hervor. Am 3. März 1939 heiratete er in zweiter Ehe die Schauspielerin Brigitte von Bülow (* 25. Mai 1914). Diese Ehe wurde 1948 geschieden.

Schriften

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  • Erinnerungen: 1928 in serialisierter Form abgedruckt in mehreren Ausgaben der Deutschen Illustrierten.
  • Mein Weg durch die Zeit. Erinnerungen und Bekenntnisse, Weilburg-Lahn 1950.

Literatur

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  • Arnolt Bronnen: Roßbach. E. Rowohlt, Berlin 1930.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-039309-0.
  • Emil Julius Gumbel: Verschwörer. Zur Geschichte u. Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918–1924. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-24338-6.
  • Hannsjoachim W. Koch: Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918–1923. Ullstein, Frankfurt 1978, ISBN 3-550-07379-8.
  • Lexikon zur Parteiengeschichte, Band 2, Leipzig 1984.
  • Bernhard Sauer: Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. Metropol, Berlin 2004, ISBN 3-936411-06-9.
  • Bernhard Sauer: Gerhard Roßbach – Hitlers Vertreter für Berlin. Zur Frühgeschichte des Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 50. Jahrgang 2002, Heft 1, S. 5–21. (PDF, 3,8 Mbyte)
  • Bernhard Sauer: „Auf nach Oberschlesien“ – Die Kämpfe der deutschen Freikorps 1921 in Oberschlesien und den anderen ehemaligen deutschen Ostprovinzen. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 58. Jahrgang 2010, Heft 4, S. 297–320. (PDF, 7,6 Mbyte)
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Einzelnachweise

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  1. Rüdiger Ahrens: Bündische Jugend. Eine neue Geschichte 1918–1933. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1758-1, S. 412.
  2. Deutsche Verlustlisten des Ersten Weltkrieges: Ausgabe 1889 vom 10. Mai 1918 (Preußen 1034), S. 23503: Roßbach, Gerhard, Ltn., 28. 2. Kehrberg, Greifenhagen, schwer v.
  3. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland: Kaiserreich und Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-21354-2, S. 195.
  4. „Oberleutnant Roßbach verhaftet“. In: Deutsche Zeitung vom 20. Februar 1923.
  5. „Oberleutnant Roßbach verhaftet“. In: Deutsche Zeitung vom 20. März 1923.
  6. Die Weltbühne 1923/II (25. Oktober 1923), S. 416.
  7. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (= Die Zeit des Nationalsozialismus. Band 16048). 2. aktualisierte Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 509.
  8. William Sheridan Allen: Das haben wir nicht gewollt. Die nationalsozialistische Machtergreifung in einer Kleinstadt 1930–1935. (Neuherausgabe mit aktuellem Vorwort). Die Buchmacherei, Berlin 2022, ISBN 978-3-9823317-5-1, S. 214
  9. Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann, S. 593.
  10. Gerhard Roßbach: Mein Weg durch die Zeit, Weilburg (Lahn) 1950, S. 216.
  11. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 499.
  12. Standesamt Charlottenburg I: Heiratsregister für das Jahr 1921, Heiratsurkunde Nr. 1132/1921.