Vorzeichenwechsel
Ein Vorzeichenwechsel ist in der Mathematik ein Wechsel des Vorzeichens der Funktionswerte einer reellen Funktion an einer Stelle oder innerhalb eines Intervalls. Weist eine stetige reelle Funktion in einem Intervall einen Vorzeichenwechsel auf, so besitzt sie nach dem Nullstellensatz dort mindestens eine Nullstelle. Eine differenzierbare reelle Funktion besitzt an einer Stelle ein Extremum, wenn ihre Ableitung dort gleich null ist und ihr Vorzeichen wechselt. Entsprechend besitzt eine zweimal differenzierbare reelle Funktion an einer Stelle einen Wendepunkt, wenn ihre Krümmung dort gleich null ist und ihr Vorzeichen wechselt. Vorzeichenwechsel in reellen Zahlenfolgen spielen eine wichtige Rolle bei der Analyse der Nullstellen von Polynomen.
Vorzeichenwechsel an einer Stelle
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Definition
BearbeitenEine reelle Funktion weist an der Stelle
einen Vorzeichenwechsel auf, wenn die Funktionswerte von
dort ihr Vorzeichen ändern. Es werden die folgenden zwei Fälle unterschieden:[1]
- Vorzeichenwechsel von plus nach minus: es existiert ein
, sodass
für alle
und
für alle
gilt
- Vorzeichenwechsel von minus nach plus: es existiert ein
, sodass
für alle
und
für alle
gilt
Ist die Funktion stetig, dann durchdringt der Funktionsgraph von
an der Stelle
die x-Achse. Kein Vorzeichenwechsel liegt vor, wenn der Graph der Funktion die x-Achse an der Stelle
lediglich berührt. Besitzt die Funktion
an der Stelle
eine senkrechte Asymptote, so spricht man von einer Polstelle mit Vorzeichenwechsel.[2]
Bestimmung von Extrema
BearbeitenIn der Kurvendiskussion liefert das sogenannte Vorzeichenwechselkriterium eine hinreichende Bedingung für das Vorhandensein eines Extremums an einer Stelle. Eine differenzierbare reelle Funktion besitzt an der Stelle
ein Extremum, wenn
ist und
an der Stelle
das Vorzeichen wechselt. Die Funktion
besitzt dann an
- ein lokales Maximum, wenn
das Vorzeichen von plus nach minus wechselt
- ein lokales Minimum, wenn
das Vorzeichen von minus nach plus wechselt
Im ersten Fall ist die Funktion für
streng monoton steigend und für
streng monoton fallend, im zweiten Fall umgekehrt.[1]
Bestimmung von Wendepunkten
BearbeitenAnalog kann das Vorzeichenwechselkriterium auch zur Bestimmung von Wendepunkten eingesetzt werden. Eine zweimal differenzierbare reelle Funktion besitzt an der Stelle
einen Wendepunkt, wenn
ist und
an der Stelle
das Vorzeichen wechselt. Das Krümmungsverhalten der Funktion
ändert sich dann an
- von konvex nach konkav, wenn
das Vorzeichen von plus nach minus wechselt
- von konkav nach konvex, wenn
das Vorzeichen von minus nach plus wechselt
Im ersten Fall ist die Ableitung für
streng monoton steigend und für
streng monoton fallend, im zweiten Fall umgekehrt.[3]
Vorzeichenwechsel in einem Intervall
BearbeitenDefinition
BearbeitenEine reelle Funktion weist in dem Intervall
einen Vorzeichenwechsel auf, wenn es zwei verschiedene Stellen
gibt, für die
gilt. Gilt sogar
,
so spricht man von einem echten Vorzeichenwechsel. Die Ungleichungsbedingung besagt, dass die Funktion an den beiden Stellen
und
ein unterschiedliches Vorzeichen hat (oder gleich null ist).[4]
Nullstellensatz
BearbeitenWeist eine stetige reelle Funktion in dem Intervall
einen Vorzeichenwechsel auf, so besitzt diese Funktion in diesem Intervall mindestens eine Nullstelle, das heißt eine Lösung
der Gleichung
.
Nach der Definition eines Vorzeichenwechsels existieren nämlich in dem Intervall Stellen mit
. Nun lässt sich eine Intervallschachtelung
mit
und
konstruieren, sodass für alle
gilt. Hierzu wird das Intervall sukzessive halbiert und jeweils dasjenige Teilintervall ausgewählt, für das die Ungleichungsbedingung erhalten bleibt. Die gesuchte Nullstelle ergibt sich dann als
.
Eine Verallgemeinerung dieser als Nullstellensatz oder Nullstellensatz von Bolzano (nach Bernard Bolzano) bekannten Aussage ist der Zwischenwertsatz.[4]
Verwendung
BearbeitenIn der numerischen Mathematik werden endliche Intervallschachtelungen zur numerischen Approximation von Nullstellen verwendet. Im Bisektionsverfahren und im Regula-falsi-Verfahren werden Varianten solcher Intervallschachtelungen eingesetzt, um eine Nullstelle einer gegebenen stetigen Funktion, bei der zwei Stellen mit unterschiedlichen Vorzeichen bekannt sind, näherungsweise zu bestimmen. In der Optimierung kommen solche Intervallschachtelungsverfahren bei der Bestimmung der Minima oder Maxima einer gegebenen stetig differenzierbaren Funktion zum Einsatz, indem die Nullstellen der ersten Ableitung der Funktion näherungsweise ermittelt werden.
Vorzeichenwechsel in einer Folge
BearbeitenDefinition
BearbeitenIst eine Folge reeller Zahlen, die alle ungleich null sind, dann ist ein Vorzeichenwechsel dieser Folge ein Indexpaar
, für das
gilt. Die Vorzeichenwechsel einer beliebigen Folge reeller Zahlen werden dann als die Vorzeichenwechsel der Teilfolge der von null verschiedenen Elemente dieser Folge definiert. Beispielsweise besitzt die Folge
genau drei Vorzeichenwechsel.[5]
Verwendung
BearbeitenDie Vorzeichenwechsel der Koeffizientenfolge eines reellen Polynoms geben Hinweise auf die Anzahl und die Verteilung der Nullstellen der zugehörigen Polynomfunktion. Nach der Vorzeichenregel von Descartes ist die Anzahl der positiven Nullstellen eines reellen Polynoms gleich oder um eine gerade natürliche Zahl kleiner als die Zahl der Vorzeichenwechsel seiner Koeffizientenfolge. Hierbei wird jede Nullstelle entsprechend ihrer Vielfachheit gezählt.
Ein weiteres Hilfsmittel bei der Analyse der Nullstellen reeller Polynome bieten sturmsche Ketten. Ist ein Polynom ohne mehrfache Nullstellen und
die Anzahl der Vorzeichenwechsel der (endlichen) Folge der Funktionswerte der sturmschen Kette von
an der Stelle
, dann ist nach der Regel von Sturm die Anzahl der Nullstellen von
in dem halboffenen Intervall
gerade gleich
.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Wolfgang Luh, Karin Stadtmüller: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Oldenbourg, 2004, ISBN 978-3-486-27569-8.
- Günter Scheja, Uwe Storch: Lehrbuch der Algebra, Teil 2. Springer, 1988, ISBN 3-519-02212-5.
- Rolf Walter: Einführung in die Analysis, Teil 1. de Gruyter, 2007, ISBN 978-3-11-019539-2.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Wolfgang Luh, Karin Stadtmüller: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Oldenbourg, 2004, S. 144.
- ↑ Hannes Stoppel: Mathematik anschaulich: Brückenkurs mit Maple. Oldenbourg, 2002, S. 26.
- ↑ Wolfgang Luh, Karin Stadtmüller: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Oldenbourg, 2004, S. 150.
- ↑ a b Rolf Walter: Einführung in die Analysis, Teil 1. de Gruyter, 2007, S. 138.
- ↑ Günter Scheja, Uwe Storch: Lehrbuch der Algebra, Teil 2. Springer, 1988, S. 112.